5. Oktober 2010

Der Hafenmeister erzaehlt mit leuchtenden Augen, ohne Queens gesehen zu haben, koennen wir nicht New York verlassen. Seine enthusiastischen Erklaerungen und Beschreibungen machen uns neugierig und nichts wie hin.
Die Subway ( U-Bahn) verlaesst nach einer Weile die Unterwelt und wir haben waehrend der Fahrt ueberirdisch bereits hier die Chance, die vielen Graffitis, die teilweise ganze Hochhaeuser schmuecken, zu bewundern. In Qeens findet sich auch das wohl einzige Graffiti-Museum und hier waren wahre Kuenstler am Werk. Leider ist es aus keiner Perspektive moeglich, gute Fotografien zu machen, in kleinen Stueckchen wirken so grosse Waende nicht wie im Original und aus der U-Bahn heraus mit einem Supergesamtblick darauf geht es bei der Geschwindigkeit auch nicht.

Queens alte Brown-Stone-Siedlungen gefallen auch dem Regisseur und Schauspieler Wody Allen so gut, dass sie meist als Kulisse dienen fuer seine Filme. Wir sehen, dass es hier tatsaechlich so aussieht, wie wir es aus Filmen kennen. Auch hier siedeln sich immer mehr Manhattan-Fluechtlinge mit gefuellter Geldboerse an, es gilt als schick, hier zu wohnen.
Abseits davon teilt Queens sich auf in kleine Viertel von Einwanderern aus Griechenland, Kolumbien und Indien.

Aehnlich wie in Chinatown verschwindet in Little India alles Amerikanische und wir fuehlen uns hineinversetzt in eine indische Stadt. Ganze Strassenzuege beherbergen indische Laeden mit wunderschoenen bunten Saris, Tuechern und Zubehoer, auffaelligem Goldschmuck und ueberall weht der Duft von fremden Gewuerzen und indischen Currys aus hiesigen Garkuechen in die Nase. An kleinen Marktstaenden unterwegs werden die exotischsten Fruechte und Gemuesesorten angeboten und auch die Supermaerkte sind bestueckt von Indern fuer die kulinarischen Eigenheiten der indischen Kueche.

Wie rasch ein Tag wieder vorueber geht in einer so interessanten fremdlaendischen Umgebung.

Ach ja, fast als letzten Stadtteil von New York wollen wir auf eine Tour in die Bronx nicht verzichten. Auch hier faehrt die U-Bahn zur Haelfte ueberirdisch und wir sehen die schucklosen, braunen Hochhaussiedlungen mit den Feuerleitern, in denen auf kleinsten Raum viele viele Menschen leben, in der Hauptsache wohl Afro-Amerikaner und Latinos, der Anteil der weissen Bevoelkerung ist hier sehr gering.

Die U-Bahn-Station ist im krassen Gegensatz zu den anderen Stadtteilen sehr schmutzig und voller Muell. Die kleinen Geschaefte erinnern an karibische Laeden und dabei stellen wir fest, dass fuer amerikanische und wohl auch europaeische Verhaeltnisse dieser Ort wohl einer der verruchtesten ist, den der normale Buerger meidet. In der Karibik aber waere dieses Strassenbild voellig alltaeglich mit seiner Armut und dem kleinen Angebot an Billig-Ware und in Brasilien gilt so eine Umgebung schon fast als guter Mittelstand. Es kommt eben immer auf die Perspektive an, aus der wir eine Wahrnehmung erzielen.

Einzig der Zoo in der Bronx ist das Ziel vieler amerikanischer Besucher, Touristen meiden den Teil von NY sowieso zumeist.

Da wir schon mal hier sind, entschliessen wir uns zu einem Besuch, wenn wir auch keine rechte Begeisterung aufbringen koennen in solch einer „Strafanstalt“ fuer Tiere, die von weither ihren natuerlichen Lebensraeumen entrissen wurden um fuer den Rest ihres tierischen Daseins hinter Gittern eingesperrt zu sein.

Die ersten Vorboten des Herbstes, die sinkenden Themperaturen und der zunehmende kalte Wind und letztendlich der ungemuetliche Schwell am Ankerplatz lassen uns nachts nicht mehr ruhig schlafen. 3 schoene Wochen in New York - jetzt waere es unvernuenftig, die Abfahrt noch weiter hinaus zu zoegern.

Der Blick auf die Wetterkarte verspricht nur kurze Wetterfenster, die angenehmes Segeln ermoeglichen, ansonsten zuviel oder gar keinen Wind. Wir machen uns einen Plan fuer die Rueckfahrt in den Sueden nach Florida in kleinen Tagesetappen, Nachtfahrten nur wenn es nicht zu vermeiden ist. Wir haben keinen Zeitdruck, so wollen wir zumindest in der noch nachtkalten Zone lieber unter der kuschelig warmen Decke liegen als draussen zu Eispueppchen zu gefrieren.

By, by Liberty, ein letztes Mal schaut sie uns majaestaetisch mit der Fackel in der erhobenen Hand hinterher. „Maad et jut, Ihr Zwei“ ruft sie uns zu und „tschuess“

Der erste Tag wieder auf dem offenen Meer wird sehr ungemuetlich, zuviel Wind, leider vorn vorne und die schraegen Wellen von der Sorte, die dir den Magen hin und herschieben. An solchen Tagen brauchst du nichts zu essen. Wir sind erleichtert, als wir nach 41 sm den Ankerplatz fuer die Nacht in Manasquan erreichen. Es ist schon dunkel, die Einfahrt jedoch breit und ueberschaubar genug, um dennoch hineinzufahren. Es gab zwar kein richtiges Ankerfeld dort entgegen der Darstellung in unserer Karte, das hiesige Restaurant bietet jedoch einen Besucher-Platz am Steg an und da keine Saison mehr ist, koennen wir dort ueber Nacht bleiben.

Der naechste Tag soll uns bis zum Abend nach Atlantik-City bringen nach 54 sm, wir werden wohl wieder im Dunkeln erst eintreffen, der Hafen ist aber gut beleuchtet und beschrieben, das duerfte auch hier kein Problem werden.

Wir koennen ja nicht wissen, dass wir fast 30 Stunden fuer diese kurze Strecke brauchen werden. Es ist eindeutig unser „bestes“ Etmal seit Beginn unserer Weltumseglung!

Es weht der Wind von vorn mit fast konstanten 25 Knoten, ab nachmittags und die ganze Nacht durch bis zu 30 kn. Das sind die Momente, die mich alle schoenen Ziele, die wir schon ausgeguckt haben, vergessen lassen. Ich will nie mehr segeln. Selbst dem Kaeptn war dieser Tag und vor allem die Nacht endlos und zu ruppig – was hoechst selten vorkommt. Unseren Kurs koennen wir gar nicht halten, stetes Kreuzen ist angesagt und somit kommen wir gar nicht von der Stelle.
Einer der Gaeste, die per Anhalter mitreisen:

Am naechsten Nachmittag treffen wir erst erschoepft und frustriert im Hafen von Atlantik City ein und haben Glueck, wir bekommen den letzten freien Platz zugewiesen. Einige Segler hatten die letzten Tage hier Zuflucht vor dem rauen Wind gesucht. Wir waren leider einen Tag zu frueh gestartet, das angesagte Unwetter, in das wir geraten waren, sollte erst heute kommen und wir waehnten uns dann bereits auch in diesem Hafen, Pech.

Dachten wir soeben noch, wir koennten nie mehr etwas essen, lockte doch rasch der Duft aus dem Restaurant vis-a-vis. Diesen Sprung nur ueber den Steg schaffen wir noch an diesem Tag und goennen uns leckere Fischlasagne mit einem frisch gezapften „Sam Adams“, eine hiesige Biermarke, die uns seit Annapolis verfolgt und schmeckt.

Nicht lange danach liegen doch wahrhaftig am fruehesten Abend zwei ausgepraegte Nachteulen fuer ca. 12 Stunden im Tiefschlaf und morgens – nein, nicht um sieben – sieht die Welt schon wieder freundlicher und vor allem windstiller aus. Die Sonne scheint hoch vom Himmel her und wir fragen uns, ob wir die letzten Tage nur getraeumt haben. Heute ist Freitag und wir buchen den Stegplatz bis Sonntag. Unsere Vorraete benoetigen eine kleine Auffrischung und ein wenig wollen wir uns noch erholen von den naechtlichen Strapazen auf See.

Atlantik City dient fuer uns nur als kurzer Zwischenstop, da wir nicht darauf aus sind, unser Budget mit Gewinnen aus dem Glueckspiel aufzufrischen. Hier wurde eine total kuenstliche Stadt errichtet, das zweite Las Vegas.Zahlreiche Wolkenkratzer wurden hochgezogen und sind gleichzeitig Hotels und Spielcasinos bis unter das Dach. Abends sorgt auffaellige Beleuchtung dafuer, gesehen zu werden. TRUMP steht auf eine Grossteil der Gebaeude, man sagt, Donald Trump haette hier die meisten seiner Millionen gemacht und investiert.

Etwas grotesk mutet es an, dass die Behoerden ausgerechnet um diesen Bereich herum die Armensiedlungen und sozialen Einrichtungen angesiedelt hat

Drei Tage spaeter klingelt der Wecker um 6 Uhr in der Frueh – o je – damit wir die Tagestour bis Cape May im Hellen schaffen. Gegen 17 Uhr erreichen wir den Ankerplatz, den wir bereits von unserer Fahrt nach New York kennen und welch eine Ueberraschung – wir treffen die SY Soleil mit Heidi und Klaus wieder, die wir seit Curacao und Jamaika zuletzt im Maerz in Key West gesehen haben. Mit der ihr angeschlossenen SY Liv wehten auf einmal drei germanische Flaggen im Wind und bei einem Sundowner tauschten wir unsere Erlebnisse der letzten Monate aus. Beim ersten Sonnenstrahl wollen sie weiter gen Annapolis durch die Delaware-Bay, wir bleiben noch einen Tag, da fuer uns die Windrichtung wieder einmal kontroproduktiv gearbeitet haette auf dem offenen Meer.

So erlebten wir die kommende Nacht ein ganz neues Spektakel, Gewitter am Ankerplatz mit 37 kn Windboen. Manche Boote verhedderten sich mit den Ankerketten, auch bei uns loeste sich der Anker und wir mussten ca. 20 Minuten herumkurven, um nicht ans Ufer getrieben zu werden. Der Spuk war relativ rasch vorbei, aber alle Boote mussten neu ankern und es wurde doch sehr spaet, bis alle wieder in den Kojen lagen.
Morgens am Ankerplatz, als wenn nichts gewesen waere

Eine arg kurze Nacht fuer uns, denn heute liegen 39 sm bis Ocean City vor uns. Nach einem angenehmen Segeltag schaffen wir die Strecke bis Sonnenuntergang und buchen fuer drei Tage einen Platz in der Fishermans-Marina. Ab morgen ist wieder einmal schlechtes Wetter angesagt fuer ein paar Tage. Wir sind froh, unsere Beine mal wieder an Land bewegen zu koennen. Der Supermarkt ist fusslaeufig zu erreichen, na klar, jetzt wo wir gut bevorratet sind seit Atlantik City und kaum etwas brauchen.
Morgens zu Starbucks zu schlendern und in diesem gemuetlichen Cafe ein Gebraeu nach Wunsch mit einem Muffin zu geniessen, ist inzwischen zu einer guten Gewohnheit geworden, wann immer wir einen erreichen koennen. Darin sind wir bereits ein Stueckchen amerikanisch geworden.

Nebenan kam uns beim Anblick des riesigen Waschsalons die Idee, unsere inzwischen zu einem Berg angewachsene Waesche nicht an Bord in unserer 3kg-Waschmaschine zu waschen, sondern hier. Es gibt hier u.a. Maschinen mit ca. 14 kg Fassungsvermoegen und ebenso gewaltige Trockner und morgens sahen wir kaum Leute dort. Welch ein Spass, der grosse Seesack war im Nu ausgeleert und alles gleichzeitig gewaschen und getrocknet. 2 Stunden spaeter lag alles fein gefaltet im Schrank. Auch unsere Flickenteppiche bekamen ein Erfrischungsbad und strahlen wie neu in ihrem Blau.
Der Preis der Freiheit:

Draussen regnet es und es ist so kalt, dass wir unser Oefchen anmachen und heisse Suppe kochen. Gerade rechtzeitig vom Gasflaschen-Fuellen in einer Regenpause zurueck war nur noch Lesen, Faulenzen und Film-Gucken angesagt.
Wir warten auf diese Weise auf das naechste Wetterfenster, Norfolk ist nicht mehr weit und dort wartet der ICW wieder auf uns und wir koennen das offene Meer hinter uns lassen und damit auch die z. Zt. unangenehm hohen und schraegen Wellen, die uns das Seglerleben vermiesen. Es ist eben zu spaet im Jahr fuer diese offene Strecke, da die Herbststuerme uns nicht fragen ob wir sie moegen.

Aber wir haben Zeit genug und es ist also kein Problem, zwischendurch immer wieder im Hafen abzuwarten.