Reise über den Atlantik

Ein Blick in unsere Website unter „Route“ beweist es, wir haben es tatsächlich gewagt. Es war unvermeidlich zur Erreichung eines unserer begehrtesten Reiseziele auf unserer Wunschliste: wir haben den Atlantik überquert – unterwegs den Äquator überschritten – und ....... nach genau zwei Wochen und einem Tag hieß es Laaaand in Sicht.

Am 9. Dezember 2008 erreichen wir die Insel Fernando de Noronha.

Wie wir inzwischen wissen, lesen eine Menge unserer Freunde unsere Berichte und schauen sich gern die Fotos an und wir bekommen so manche liebe Mails, die uns zu weiteren „literarischen“ Schandtaten ermutigen. Darüber freuen wir uns natürlich wie jeck.

All das haben wir erlebt;

dramatische Kämpfe auf See, Pest und Cholera, Skorbut, Meuterei zwischen der Mann(Frau)schaft und Käpt´n, Piratenüberfälle, diverse Angriffe von Seeungeheuern und Walen , orkanartige Stürme von unaussprechlicher Stärke und als kärgliche Kost Wasser und Brot ...... all das haben wir überlebt......

Ihr wißt doch noch, Übertreibung macht anschaulich!

Aber da wir nunmal ernsthafte Menschen sind und auch ohne die o.a. Aspekte ein Seglerleben spannend ist, bleiben wir gern bei der Wahrheit.
Auch wenn es sich weniger dramatisch liest, schauen wir den Tatsachen ins Auge: wir hatten aus jeglicher Sicht eine unkomplizierte und problemlose Überfahrt. Die Reise war nur schön und hier beginnt unser Reisebericht darüber:

Wir haben guten Wind und auch Flaute, Sonne und Regen .... alles ist da aber in Maßen und nicht unangenehm. Vom 3. Tag an kann ich sogar mein Buch lesen und bin ziemlich glücklich darüber. So vergeht die Zeit doch schneller. Seekrank werden wir diesmal beide nicht. Die mehrtägige Flaute in den Kalmen beschert uns ein so ruhig dahingleitendes Schiff, daß ich sogar einen süßen Hefestuten backen kann. Spülen trotz schaukeln klappt immer besser, nur kochen auf dem pendelnden Herd verweigere ich noch. Glücklicherweise ist Wilfried sehr stolz drauf, wenn
e r den „Drachen“ besiegen kann.

Als Segler können wir die Tour zweiteilen. In der ersten Woche jubiliert das Seglerherz. Der Wind weht mit 15 kn aus östlicher Richtung, d.h. von der Seite. Die Wellen sind lang , so dass wir das Auf und Ab gar nicht bemerken und uns im Schiff recht normal bewegen können..

Dies ändert sich im Bereich der Kalmen. Kaum bis gar kein Wind und wenn, dann meist aus der falschen Richtung. Irgendwann heißt es dann „Mortor Starten“, Vorsegel eingerollt und das Großsegel nur zur Unterstützung oben lassen. 5 Tage bleibt der Motor an. So füllen sich Batterien und Wassertank.

Aber was genau sind Kalmen? Mehr darüber im „Krähennest“.

Äquatortaufe haben wir mit einem Glas Sekt abends gefeiert. Die üblichen Rituale wie Kielholen oder mit Klebstoff den Neuling einseifen und mit Federn überschütten, damit er was zum Kratzen hat, haben wir übereinstimmend ausgelassen :-)

Ich hatte mir vorgestellt, daß ich unterwegs auf dem Wasser ganz in Ruhe Mails schreiben und per Sailmail senden würde. Habe ich doch reichlich Zeit dazu. Schnell stelle ich fest,
daß dies gar nicht so einfach ist. 220 V sind während der Fahrt nur im kleinen Büro im vorderen Schiff vor dem Mast. Das ist leider die Stelle, die am meisten wackelt und es hält dich nicht auf dem Hocker.
So fällst du gleichzeitig vom Hocker und der Laptop schiebt sich weg mitsamt den Tasten in die Richtung wo du gerade nicht bist und es ist höllisch heiß dort, weil die Luken unterwegs meist zu bleiben .

Nach ca. 6 Tagen meint Poseidon, nu ist es genug mit dem Bilderbuchsegeln, mal sehen, was die „Senta“ zu Regen und Wind sagt.
So sollte es sein – der Himmel öffnete die Schleusen und wir können eine neue Erfahrung verbuchen: Squals.

Dabei handelt es sich um plötzlich auftretenden Starkwind/Sturm mit viel Regen, in kälteren Gegenden auch mit Nebel oder Schnee. Ausgelöst wird diese Erscheinung wahrscheinlich in der oberen Luftschicht. Meist sind die Squalls von kurzer Dauer, wenige Minuten bis einige Stunden. Am Tage oder in mondhellen Nächten sind die Wolken rechtzeitig zu sehen und wir können entsprechend reagieren. Nachts hilft das Radargerät und nimmt den dunklen Wolken einiges von ihrem bedrohlichen Aussehen.
Zurückblickend können wir sagen, daß wir Glück mit dieser Wettererscheinung hatten. Der Wind ist nie stärker als 30 kn oder kommt nie überraschend, zumal wir nachts aus Sicherheits- und Bequemlichkeitsgründen die Segel verkleinern.

Die Segel heißen den Regen willkommen, wäscht er doch schnell das Salz ab. Der Laptop ist nicht so begeistert, er verträgt die hohe Luftfeuchtigkeit nicht. Daher können wir einige Tage keine Position abgeben. Später kommen wir auf die Idee, ihn in die Sonne zu stellen und zu trocknen und siehe da, er funktionierte wieder.

Die Zeit vergeht sehr schnell und am 15. Tag heißt es dann „Laaand in Sicht“!

Als ersten möglichen Ort in Brasilien wählen wir die Insel Fernando de Noronha.
Sie gehört zum Weltnaturerbe der Unesco und wie man sagt, sie sei das größte Naturreservat der Welt.
Wir wissen, daß diese Insel sehr teuer ist selbst am Anker, drum werden wir den Aufenthalt auf 2 Tage beschränken. Das Geld wird hier gebraucht, um diesen wunderbaren natürlichen Ort so zu erhalten und als Oase für Naturliebhaber und Taucher zu pflegen. Am Ankerplatz tummeln sich mit den Schiffen zu bestimmten Zeiten Scharen von Delfinen und Wasserschildkröten. Das Meer ist traumhaft sauber und angenehm. Der kleine Ort vermittelt einen ersten exotischen Eindruck lateinamerikanischer Lebensart.

Hier können wir einklarieren. Das ist immer ganz eilig und wichtig, um die gelbe Pestflagge – Quarantäneflagge eigentlich- loszuwerden. Die muß gehißt sein, bis wir den Stempel im Paß haben und klar ist, daß Pest und Cholera nicht an Land getragen werden.

Südliche Bürokratie ist immer eine Sache für sich. Freundlich und zuvorkommend , du mußt nur reichlich Zeit mitbringen. Vielleicht auch Hunger und Durst, denn du wirst mit Kaffee und Keksen überschüttet, weil letztendlich der Beamte mit dem Schlußstempel unterwegs im Außendienst ist und für den Neuankömmling über Funk gerufen wird. Bis er eintrifft, hast du einige Zeit mit den Büroleuten verbracht mit Scherzen, Ausfüllen von vielerlei Papieren natürlich in Originalsprache des Landes usw. und bei der mehrmaligen Aufforderung zu noch mehr Kaffee und Keksen meint Wilfried : Jetzt warten wir doch ne Stunde und dann hätten wir gern 2 Bier ....

Sie schauen uns ungläubig an, es lockert schlagartig auf und es beginnt eine Diskussion über Bier und wir müssen uns festlegen, ob deutsches oder brasilianischen Bier besser schmeckt.
Wilfried und ich schauen uns fragend an, wissen wir doch nicht, ob von der Antwort die Einreise in dieses Land abhängt?. Bevor wir uns endgültig für eine Antwort entscheiden, verrät uns der Cabaleiro Polizist seinen Favoriten „Lagos“ aus Portugal. Na wenn das so ist, bekennen wir uns doch zu unserem deutschen Bier.

Viel Palaver über lange Zeit gehört zu jeder Aktion und es wirkt irgendwann so vertraut wie bei einer großen Familie, die sich gut kennt. Deutsch-englisch-portugiesisch geht es hin und her .... aber irgendwie verstehen wir uns. Als der Stempelträger dann doch nicht erscheint, schlagen sie vor , wir sollten doch noch einmal gehen und um 14.00 Uhr wiederkommen.
Zurück zum Boot wollen wir aber nicht bevor die Aktion Paßstempel erledigt ist. Wir setzen uns gegenüber zum Essen hin, das kam natürlich gleichzeitig mit dem zu erwartenden Stempelträger. Der Käpt´n geht frohgemut und zielstrebig zwischen Büro und Essen hin und her, aber sie meinen , sie hätten Zeit, wir sollten doch ersteinmal gemütlich futtern und geben ihm wiederum eine Menge Papierchen mit zum Ausfüllen. Hin und her .... aber dann ist es geschafft. Die Einreise ins Land ist offiziell und das ist ein tolles Gefühl.

Nach 2 Tagen haben wir dann nochmal 234 sm vor uns und am Freitag werfen wir in Cabedelo am Rio Paraiba zwischen Mangrovenwäldern den Anker.

Hier betreibt Phillip, ein Franzose eine kleine Marina mit 2 Stegen.
Wir hörten bereits, daß es hier auch Internet an Bord gibt und warten schon ungeduldig darauf, daß wir anlegen dürfen. Es ist Wochenende und der Hafenmeister nicht da. So machen wir uns in Ruhe vom Ankerplatz aus mit der Umgebung vertraut und lauschen abends fasziniert einem in der Nähe im Restaurant spielenden Musiker – freuen uns über den Bolero von Ravel. Wir wissen noch nicht, daß er dort spielt um ins Guinessbuch der Rekorde zu kommen ..... 2.000 mal muß er dafür spielen. Pro Tag einmal .... voller Inbrunst.
Montags ziehen wir um an den Steg und bei dieser Gelegenheit erzählt uns Phillip überraschenderweise, daß wir hier noch einmal einklarieren müssen und zum Zoll, weil hier ein neues Bundesland ist. Da hätten wir uns das ganze Prucedere in Noronha sparen können und vor allem einige Stunden im Büro. Aber gut, das gehört auch zu den Erfahrungen und Kaffee und Kekse haben ja auch gut geschmeckt, obwohl das mit den zwei Bieren dann doch nicht mehr geklappt hat.

So fahren wir mit dem Zug nach Cabedelo rein zum Zoll, zur Polizei und zum Hafenamt. Wieder sehr aufwändig aber wir werden mit Handschlag begrüßt, willkommen geheißen und sie vermitteln glaubhaft das Gefühl, sie hätten nur auf u n s gewartet, damit der Tag schön wird. Beim Rückweg war es dann höllisch heiß so ca. 45 Grad (ohne Übertreibung) in der Sonne, Mittagszeit.

Die Krönung des Tages dann: ein Obstmarkt mit den köstlichsten Sachen ... endlich nach 2 Monaten das erste so richtig frische Zeug. Für 2 € umgerechnet werden die Arme lang mit Tüten von Mangos, Trauben, zuckersüßen Bananen, Kartoffeln, Zwiebeln und : Maracujas. Die kannte ich bisher noch nicht als frische Frucht. Säuerlich aber sehr fruchtig. Wir schwelgen in Vitaminen:-) ein sehr gesunder Tag.

Am Wochenende futtern wir zweimal argentinische Steakplatte, davon hatten wir während der langen spagettireichen Zeit geschwärmt. Essengehen ist sehr preiswert, im guten Restaurant mit Live-Musik kannst Du nicht mehr als 8-10 € für 2 Personen ausgeben. Steak ist das Teuerste. Hühnchen oder andere Speisen 3-4 €. Es ist zwar ein kleiner Ort, aber von anderen Seglern wissen wir, im ganzen Land ist das so. z. B. 1 kg Bananen 0,30 ct umgerechnet in unsere Währung, ½ frisches Huhn 1,50 € - und lecker – zum Selbstbraten.

Es gibt zahlreiche Kilo-Restaurants. Du füllst Deinen Teller mit leckersten Köstlichkeiten und er wird gewogen und pro kilo berechnet.

In Afrika war es der Escudo, hier müssen wir in Real umrechnen, das ist manchmal ganz schön verwirrend. Aber hält das Gehirn fit. Der Anfang in fremden Gefilden ist immer etwas schwierig und unsicher, bis man sich kundig gemacht hat.

Nun sind wir erst einmal angekommen und es ist ein gutes Gefühl nach dieser langen Reise.

Bisher war das unsere schönste Fahrt und wenn sie noch ne Woche länger gedauert hätte, wär das auch o.k. Jetzt brauchen wir erst mal ein paar Tage zum Bootsschrubben, Wäschewaschen und natürlich Briefeschreiben. So richtig realisieren können wir es noch nicht, daß wir den Atlantik überquert haben und vor allem daß alles so normal war und ist.