die Insel der Good Vibration

22. Dezember 2009

Reggae, Rum und Rastafari sind die Stichworte, wollte man vom ersten Eindruck erzählen.

Formell sei erwähnt, es ist die drittgrößte Insel nach Kuba und Hispaniola mit 2,5 Millionen Einwohnern und bildet zweifellos eines der kulturellsten Zentren des karibischen Raumes. Die Literatur- sowie die Musikszene heben sich hervor und die Universität der West Indies hat in Kingston, der Hauptstadt von Jamaika, ihren Sitz.
Darauf kommen wir später noch zurück, ersteinmal kommen wir an.

Genau vier Tage hat der Wind gebraucht, um uns hierhin zu pusten. Na ja, die Wellen waren zeitweise ein wenig hoch – bis zu 4 Meter, aber die sind längst vergessen. Freitag am Mittag legen wir im Hafen von Port Antonio im Nordosten der in jeder Beziehung „berauschenden" Insel an. Bereits in der Einfahrt zwischen den Tonnen können wir den Blick kaum lösen von dem üppig grünen Regenwald, der bis ans Ufer teilweise herunterwächst, den Blue Mountains im Hintergrund, wo der „beste Kaffee der Welt“ geerntet wird. Es heißt, Londoner Bürger zahlen bis zu 20 US-Dollar für eine Tasse Kaffee aus diesem Gebirge. Na ja, das haben wir nicht vor aber mal schauen, was er hier kostet und wie er schmeckt.

Diesmal stehen keinerlei Behördengänge an, zum Einklarieren kommen alle Mann an Bord. Zuerst der Beamte der Gesundheitsbehörde „ja, wir sind gesund" und „nein, wir haben keine Kakerlaken oder ähnliche Störenfriede an Bord“ . Der erste Zettel wird ausgefüllt, natürlich zweimal, denn wir sind ja zu zweit an Bord. Schon ist das Wichtigste erledigt und wir erfahren von ihm einiges über die Insel, die Menschen hier und wie sie Weihnachten zelebrieren mit dem Ergebnis, daß wir Fidel auf Kuba absagen fürs Festessen und hierbleiben möchten über die Feiertage. Wir freuen uns auf zahlreiche öffentliche Feierlichkeiten und Gospelchöre .

Nachdem nun feststeht, keine Cholera oder Pest an Bord, wünscht er uns noch eine schöne Zeit auf Jamaika und am Steg warten bereits die Kollegen vom Zoll. Wieder eine herzliche und freundliche Begrüßung und fröhliches Zettel ausfüllen.Das geschieht dennoch rasch und unkompliziert und nun möchten anschließend die Herren von der Emigration unsere Aufmerksamkeit.
Nochmal zwei nette Beamte – aber sie trauen sich nicht aufs Schiff zu klettern. Der Käpt´n muß rüberspringen auf den Steg und so wird die Angelegenheit outsite erledigt, auf dem Deckel der Mülltonne schreibend in der Hocke :-)))
Insgesamt kommen wir auf 14 ausgefüllte Formulare bei der ganzen Aktion, die binnen einer Stunde trotz der Plaudereien erledigt war.

Nu sind alle weg und wir sehen uns lachend an und brauchen es gar nicht auszusprechen: so ein Ankommen wünschen wir uns jetzt immer. Zettel ausfüllen ist die eine Sache und machen wir ja auch bereitwillig. Nie schlagen wir vorwitzig vor, wir könnten doch vom ersten Formular Kopien oder Durchschriften machen .... nee so frech sind wir nicht.Es fiel uns nur diesmal mehr auf als sonst, daß zumindest Zoll und Emigration identische Informationen aus uns herauslocken und sie beweisführend aufschreiben lassen. Egal, nu haben wir den nächsten Stempel im Paß und sind als Gäste willkommen. Yeah wird sind in JAMAIKA!!!!!!!

Vor allem haben wir einige Informationen erhalten, die uns sehr hilfreich sein werden beim Kennenlernen der Insel. Nachdem alle Begrüßungsbeamten sich verabschieden, hält uns nichts mehr auf dem Boot. Schnell ein wenig frisch gemacht und ab ins Geschehen. Unser Ankommtag ist ein Freitag und wir hören bereits vom Hafen aus schon die typischen Reggaerhytmen der Insel. Zum Wochenende werden die Lautsprecher aufgedreht wie meist in der Karibik. Auch auf Jamaika ist der Alltag ohne laute Musik und Tanz undenkbar. Nach Sonnenuntergang beginnt nochmal ein Extra-Programm.

Port Antonio, Portland, im Nordosten der Insel ist ein Ort mit ca. 16.000 Einwohnern. Da wir großen Hunger und noch keine einheimische Währung haben, führt der erste Weg zur hiesigen Bank. Keine fünf Minuten brauchen wir um mitten im trubeligen Geschehen zu sein. Doch trotz großer Neugier und Wahrnehmung der neuen Umgebung gucken wir mit einem Auge immer auf unsere Füße und wo wir hintreten.
Die Straßen sind große Kraterlandschaften, tiefe Löcher überall und der Bürgersteig oft steil abwärts. Kinderwagen oder Rollstühle sind nicht zu sehen, sie wären auch kaum zu handhaben. Das ist ein Beispiel für die meisten Straßenbeläge auf der Insel mit nur ganz wenigen Ausnahmen, z.B. der neuen Straße, die nach Kingston führt.
Es ist bekannt, daß zahlreiche Projekte bezüglich Straßenbau von USA subventioniert wurden.Es heißt, die Gelder kommen bei dem zuständigen Minister an. Der braucht jedoch auch etwas für sich davon und gleich danach gibt es noch Verwandte, die er bedenken muß. Dieser wiederum bekommt einen Betrag für sich und den Auftrag, mit der dann noch verbleibenden Summe einen Vertrag auszuhandeln mit einer Straßenbaufirma. Diese Summe reicht jedoch dann nicht mehr aus, um die vielen Straßen fachgerecht zu erneuern und so wird immer weiter nur geflickt und ausgebessert.

Es sickert auch durch, daß andere ausländische Firmen die Kosten für diverse Straßenerneuerungen übernehmen würden, fast immer die Wege zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Die Regierung hat dankend abgelehnt. Die Bedingungen, daß mit den Geldern auch Kontrolleure für die Überwachung der Verteilung eintreffen werden, akzeptieren sie nicht. Die Bürger haben da noch zu wenig Mitspracherecht und so bleibt alles wie es seit Jahrzehnten ist.

Aber zurück zu Port Antonio und unserem ersten Erkundungsgang.
Das geschäftige Treiben findet hauptsächlich an zwei bis drei Straßen statt und im Zentrum dessen ist es so wuselig, so laut, viele Menschen, viele Autos, die sich durch die engen Gassen zwängen mit lauten Huptönen.

Nach einer Woche auf dem Meer zu zweit bist du nach einer Stunde erschlagen davon und nach dem leckeren Hühnchen geht es erstmal zurück aufs Boot. Durch die vergangenen Nachtwachen haben wir Schlaf nachzuholen und freuen uns darauf. Trotzdem sitzen wir noch ein Stündchen draußen, trinken den Ankommwein und schauen hinüber zum Dorf und lauschen den wummernden Bässen der Musik. Da wollen wir uns doch auch gleich outen, nirgendwo gefielen uns die Töne bisher so gut wie hier auf Jamaika. Bob Marley hörst du überall und wir gehören zu seinen Fans. Darauf kommen wir später zurück.

Der erste Eindruck ist überwältigend und läßt schon erahnen, daß es hier wunderbare Ausflugsziele gibt. Wir liegen mit dem Boot in der Erol-Flynn-Marina. Es ist eine kleine Marina, die Platz am Steg bietet sowie Moorings- und Ankerplätze. Die gesamte Anlage ist sehr gepflegt und die Menschen überaus freundlich und zuvorkommend. Da nimmt man den Preis 0,75 US-Cent pro Fuß in Kauf. Wir bekommen Ratschläge und Unterstützung bei der Organisation aller Ausflüge, die wir machen wollen. Für Tagestouren erweist sich das als sehr nützlich, die vorgeschlagenen Taxifahrer sind zuverlässig und die Preise werden fair ausgehandelt.

Warum die Marina Errol -Flynn-Marina heißt?
Gleich nebenan liegt Insel, die der berühmte Filmstar sich in den 50iger Jahren kaufte, nachdem er mit seinem Schiff in einen Sturm geriet und in Port Antonio Schutz suchte. Die Folge davon war, daß der berühmte Herzensbrecher allerhand Hollywoodgrößen einlud auf seine Insel und mit ihnen einige Sehenswürdigkeiten besuchte und Touren organisierte. Auf diese Weise holte er sozusagen die ersten amerikanischen Touristen in den Ort, die dem kalten Winter in Amerika gerne entflohen.

Eine gute Einnahmequelle und ein bißchen Berühmtheit zog das mit sich, ebbte aber auch schnell wieder ab als der Star 1957 verstarb. Seine damals noch sehr junge Frau lebt heute noch auf einer Plantage nicht weit von seiner Insel. Täglich fahren heute noch Ausflugsboote hinüber und der Besucher kann auf den berühmten Spuren wandeln.

Eine Fahrt mit dem Taxi nach Kingston war eine gute Übung für schwache Mägen. Zwei Stunden lang nur schmalste Serpentinen mit reichlich Gegenverkehr. Gleichzeitig lief im Fernseher unter dem Rückspiegel eine einheimische Soap und später ein alter amerikanischer Film. „You like it“?
Die Geräuschkulisse war mörderisch und gleichzeitig telefonierte der Fahrer und aß sein Brötchen. Recht abenteuerlich und sowohl Heidi und Klaus von der „SY Soleil" die sich uns angeschlossen hatten und wir waren heilfroh, als wir den ersten Stop einlegten bei angeblich dem am besten ausgestatteten Seglerzubehörladen der Insel.

Von außen kaum zu bemerken barg die kleine Holzhütte tatsächlich alles was das Seglerherz begehrt und immer wieder auf kleinsten Raum gab es neue Gänge, die zugestopft waren mit allerlei Schrauben, Seilen usw. Irgendwann wurde ich doch ganz nörgelig, denn wir waren ja nicht in Kingston um den Tag zwischen Schrauben und Kleinstteilen zu verbringen ?

Das Hauptziel an diesem Tag war das Bob-Marley-Museum. Eine Führung über das Gelände und durch das ehemalige Haus des berühmten Rastafari, der 1981 bereits im Alter von nur 37 Jahren verstarb, ließ uns noch einmal auf seinen Spuren wandeln . Bob Marley und die Whealers, wie sich die Band damals nannte, begründeten den Reggae in den 70 iger Jahren und wurden damit weltberühmt. Eine völlig neue Musikrichtung und vor allem die Karibik ist undenkbar ohne Reggae und die großen Lautsprecher, die überall den Sound lautstark übertragen. Aber auch eigene Erinnerungen an diese Zeit kamen da wieder hoch.

Bis heute ist Bob Marley eine Kultfigur, ein Nationalheld und viele junge Jamaikaner leben nach seinem Vorbild, nicht nur wegen der Musik. Aufgewachsen in Trenchtown, einem der ärmsten Slums von Kingston, war er ein Synonym dafür, daß jeder den Aufstieg und Berühmtheit erlangen kann. Ohne Schulabschluß, eine abgebrochene Lehre als Fahrradmechaniker und dann weltberühmt. „Wenn er das kann, können wir es auch“ . So repräsentiert er den Traum von einer besseren Welt.

Bis heute gilt die Reggaemusik als kultureller Ausdruck der Rasta-Philosophie, die nicht nur Ausdruck einer bestimmten Szene ist, der geistige Einfluß der Botschaft reicht bis in die „bessere Gesellschaft“ hinein.

Bob Marley war ein überzeugter Anhänger der Glaubensrichtung der Rastafaris und durch ihn wurde diese wieder neu belebt. Sie glauben an einen schwarzen Erlöser und als Nachfahren der ehemaligen Sklaven an eine Rückkehr in ihr „Paradies“, in ihr Heimatland und als damals Haile Selassi I. zum Kaiser von Äthiopien gekrönt wurde, glaubte man, daß dieser es sei, der sie zurückführt.
Mit bürgerlichen Namen hieß dieser Ras Tafari und daher der Ausdruck Rastafari als Glaubensbekenntnis. Es ist keine Religion mit Beschränkungen oder Geboten, die elementarste Aussage ist „leben“ in Frieden, mit den Nächsten und selbstbewußt seinen speziellen eigenen Weg zu finden und zu gehen. Seine Texte erzählen zum Teil davon und auch dies trug wesentlich dazu bei, seine Anhängerschar zu vermehren. Musik offenbart die Seele des Menschen ... damals wie heute erreichte er die Menschen in ihren Herzen. Rastafaris auffälligstes Erkennungszeichen sind die Dreadlocks, lange gedrehte verfilzte Haare, die sie niemals schneiden und die berühmte gehäkelte Mütze in den Farben der Flagge Äthopiens, rot-gelb-grün. Rot für Blut, gelb für die Sonne und Grün für den Reichtum der Natur.

Gewalt lehnen die Rastafaris vehement ab und Probleme werden gerne mit einem Joint oder Pfeifchen Marihuana in Ruhe und Frieden ausdiskutiert. Vielleicht eine gute Erklärung dafür, daß die Atmosphäre hier in Jamaika im Prinzip zwischenmenschlich sehr leicht, locker und keinesfalls krimminell auf uns als Besucher wirkt.

Keine Bange, es ist nicht die rosarote Brille, durch die wir gucken .
Jamaika ist offensichtlich eine sehr arme Insel. Prinzipiell gibt es selten Gewaltverbrechen , in die Touristen einbezogen sind. Kleinkriminalität gibt es natürlich genauso in jeder größeren Stadt wie bei uns. Es wäre schade, wenn du auf eine Reise hierhin verzichtest, weil wie in unserem Fall zahlreiche Segler ausdrücklich davor warnen. Wie meist auf unserer bisherigen Reise kommen die Ermahnungen von Leuten, die selbst nie hier waren.
Du mußt es einfach selbst spüren und deiner Intuition vertrauen und den Aussagen der Behörden beim Einklarieren. Bisher waren deren Einschätzungen ziemlich identisch mit den Gegebenheiten.

Der lange Aufenthalt in Brasilien hat unsere Antennen sehr fein ausgerichtet auf mögliche Geschehnisse, die wir nicht haben wollen. Wir können nur sagen, der Sensor hat Ruh, wir gehen hier wie in Curacao abends genauso gern und sicher durch die Straßen wie die Einheimischen, die abends aus ihren Häusern herausströmen mit Kind und Kegel, um die frische Abendluft zu genießen und die nie nachlassenden Rhythmen aus vielen Lautsprecherboxen.
Wir haben nur in den ersten zwei Tagen etwas zögerlich und abwehrend reagiert, wenn wir angesprochen wurden „hey man, how are you“ „you come from the marina? „it´s good „ . So klein wie dieser Ort ist, fallen so blond-graue Panther wie wir natürlich sofort auf. Die Herzlichkeit und die Fragen sind meist ohne Absicht, nur ein wenig Kontakt aufbauen – das erwartete Drängen, ihnen etwas abzukaufen blieb aus. Auf diese lockere Weise haben wir vieles erfahren, was uns interessiert über die hiesige Art zu leben usw.

Das schlechte Image hat zum Teil auch noch mit den bürgerkriegähnlichen Auseinandersetzungen Ende der 90iger Jahre zu tun, als die Bevölkerung sich deutlich auflehnte gegen die Politik im Lande, die Korruption in den Ämtern und die wirtschaftliche Benachteiligung durch diverse Verträge mit den USA. Hier sowie auf vielen anderen Karibik-Inseln hat u.a. die United Fruit Company ihre Muskeln spielen lassen und den Ländern ihren Willen aufgedrückt. Die Folge davon war, daß Jamaikaner z.B. ihren eigenen Blue-Mountain-Kaffee nicht kaufen können, weil ihr Lohn das nicht zuläßt. Feste Jobs sind rar und selbst das Obst und Gemüse, das hier unter paradiesischen Wetterbedingungen in Hülle und Fülle wächst, kann die Kassen nicht füllen. Verträge verhindern den Absatz auf dem Weltmarkt und im eigenen Land wird es zu Niedrigstpreisen verkauft.

So liegt die Hoffnung auf ein wirtschaftliches Wachstum heute immer mehr im Tourismus. Er ist die Einnahmequelle Nr. 1 inzwischen und dafür werden auch spürbar einige Anstrengungen unternommen. Auch ein Grund dafür, daß ein großes Augenmerk auf die Sicherheit im Lande gerichtet ist seitens der Polizei und der privaten Securitys. Dass sich das nicht nur auf die Hotels und anderen Unterkünfte bezieht, können wir jeden Tag merken und die Sorglosigkeit, mit der wir herumspazieren können, ist sehr angenehm.

In zwei Tagen ist Weihnachten und wir freuen uns schon darauf, die hiesigen Bräuche zu erleben. Sie unterscheiden sich doch um einiges von den unseren. Allein am Heiligabend bleiben die Geschäfte und Märkte bis 4 Uhr morgens geöffnet, gemeinsames Bummeln und vielleicht noch Geschenkekaufen ist üblich und danach geht es nach Hause zum Schlafen.

Am Weihnachtsmorgen kommen alle Vertreter der Kirchen zum Dorfplatz und es wird eine gemeinsame Messe aller Konfessionen gelesen, Gospelchöre werden singen ..... und nach dem Festschmaus wird wieder in den Straßen gefeiert und getanzt.

Am 2. Tag ist Boxingday, Geschenke werden getauscht und anschließend wird der Inhalt des Kühlschranks in die Kühlboxen verteilt und die Familien fahren zu den Wasserfällen .....
Das ist in Kurzform die Beschreibung des Ablaufs der jamaikanischen Weihnacht, wir werden sehen und berichten.

Nach Weihnachten mieten wir ein Auto und fahren über die Insel. Ihr seht, so schnell wollen wir hier nicht weg, obwohl es doch nur ein kurzer Aufenthalt sein sollte vor Kuba. Es gibt noch so viele schöne Ziele und vor allem steht noch eine Floßfahrt auf dem Rio Grande an. Da geht es lautlos durch den Dschungel mit einem Führer und wir werden mehr erfahren über die hiesige Fauna und Flora.



Nun wünschen wir all unseren treuen Lesern vor allem in der jetzt eiskalten Heimat eine fröhliche und friedliche Weihnacht und ein schönes, buntes neues Jahr 2010

und .... schreibt auch mal wieder etwas, im Gästebuch ist viel Platz. Wir freuen uns über jeden Eintrag :-)))