Cartagena

Ab 23. Oktober 2011



Am Ende eines kurzen, heftigen Toerns empfaengt uns nach knapp 2 Tagen vormittags die Einfahrt Bocca Chica. Vorbei an der im Wasser stehenden Madonnenstatue schaukeln wir in die Bucht von Cartagena und werfen vor dem Club Nautico den Anker.

Flaggen aus vielen Laendern flattern im Wind, das Ankerfeld ist gut belegt. Vom Nachbarboot erfahren wir, dass der TO-Stuetzpunktleiter Manfred im Supermarkt nahe dem Hafen im Internet-Cafe zu finden ist und dass wir nicht selbst einklarieren duerfen sondern ihn als Agenten aussenden muessen. Nun gut, das hat Zeit bis nach dem Wochenende, jetzt sind wir muede von den Nachtwachen. Die Koje wartet auf uns.

Frisch ausgeschlafen ist es fast Abend, wir sitzen draussen und koennen nun die Aussicht geniessen. Die Lichter gehen an und in der Ferne erstrahlen die Tuerme der alten Gemaeuer und Kirchen der Altstadt. Die andere Seite des Ufers koennte krasser nicht sein mit fast nur Wolkenkratzern a la Miami im Stadtteil Bocca Grande.
Whow ..... welch eine Kulisse ringherum und wir freuen uns schon auf unsere persoenliche Eroberung dieser geschichtstraechtigen Stadt in den kommenden Wochen.

O wie banal, der Supermarkt ist in 5 Laufminuten zu erreichen und dort ist unser 1. Ziel. Vielleicht aber vom Leser gut zu verstehen, wenn er weiss, wie schwierig das Futtereinfangen auf den San Blas Inseln war und zudem unser Kuehlschrank endgueltig seine Kuehlung aufgab in den letzten Tagen dort. So ist es nicht einfach ein Supermarkt fuer uns, sondern ein kulinarisches Frischeparadies. Der Gedanke, waehrend unseres Aufenthalts so unkompliziert in Windeseile einkaufen zu koennen, laesst uns freudig die Beute aufs Boot tragen. Futterbeschaffung ist immer ein grosses Thema beim Segeln, wie wir schon oft erwaehnt haben.





Die Altstadt von Cartagena wird von Touristen bevorzugt besucht. Auf den ersten Blick werden wir an Havanna auf Kuba erinnert und wir koennen uns gut vorstellen, dass Fidels Hauptstadt auch einmal so aussehen wuerde mit frischer Farbe und gutem Willen. Die historischen Bezirke San Pedro, San Diego und Getsemani sind jeden Besuch wert.

Bevor Cartagena 1533 vom Adeligen Don Pedro de Heredia gegruendet wurde, lebten in Kolumbien an der suedkaribischen Kueste zahlreiche indigene Volksgruppen. Sie waren fuer die damalige Zeit auf einem sehr hohen Entwicklungsstand, besonders die Staemme der Tayrona und der Sinu. Die Art der Planung und ausgefuehrten Bauweise lassen noch heute das enorme Wissen nachvollziehen, mit dem sie die Dinge handhabten.

Die Spanier liessen sich einst wie ueblich an den Kuesten nieder, hier an der karibischen Suedkueste und gruendeten 1533 Cartagena de Indios. Mit Santa Marta (1525) und Cartagena gab es nun die bis heute aeltesten Ansiedlungen, die die Jahrhunderte ueberdauert haben.

Dass mit dem Eintreffen der Spanier der Untergang der indigenen Voelker eingeleitet wurde, lernten wir alle im Geschichtsunterricht. Hier in diesen Laendern Sued- und Mittelamerikas begegnen wir dieser Geschichte in lebendiger Form auf Schritt und Tritt.

Cartagena entwickelte sich rasch als Brueckenkopf an der karib. Suedkueste. Von hier aus wurde das geraubte Gold der Indigenen nach Spanien verschifft, Sklaven aus Afrika ausgeladen und verkauft. Durch schwunghaften Handel mit diesen „wertvollen Guetern“ wurde die Stadt bald zum Juwel der Karibik.



Kaum eine Stadt baute daher so viele Festungen und Verteidigungsanlagen wie Cartagena und das aus gutem Grunde. Fuer Piraten aus aller Welt galt dies als Einladung. Vor allem die Englaender schielten neidisch auf den enormen Reichtum der Spanischen Krone. Allein im riesigen Fort San Felipe wurden Unmengen des von den Spanien geraubten Indio-Goldes gehortet, inerhalb dieser 11 km langen Stadtmauer.

Wie friedlich zieren heute glaenzende Kanonenkugeln die Wege in der Altstadt, damals waren sie noch aktiv. Nicht nur Festungsanlagen, auch so manchen Helden brachten die Scharmuetzel hervor. Unsterblich nee, auf jeden Fall unvergesslich. Der legendaere spanische Admiral Blas de Lezo ist es auf jeden Fall als „el medio hombre“, der halbe Mann.
Der Verlust, von jeweils einem Bein, einem Arm und einem Auge in frueheren Kaempfen, hielt ihn nicht zurueck sein Bestes zu geben im Kampf um seine Stadt. Es war immerhin noch genug, um den Angriff der Englaender unter Fuehrung von Admiral Vernon 1741 erfolgreich abzuwehren.

Dieser liess sich positiv denkend vorab in Bronze giessen. Noch heute schmunzelt so mancher Tourist ueber die Plakette, die Vernon als Sieger abbildet und huldvoll den Degen vom tapferen Blas de Lezo entgegennimmt, der vor ihm kniet und sich ergibt. Wunschdenken, wie sich herausstellte. Der span. Admiral wollte sich wohl kaum mit dem Holzbein vor ihm beugen und gewann doch lieber.
Er wehrte sich mit 3000 Soldaten, 600 eingeborenen Bogenschuetzen und 66 Schiffen gegen die 186 englischen Schiffe sehr erfolgreich. Dass dies in die Geschichte eingeht und wir heute noch darueber reden versteht sich von selbst.



Zurueck in die Gegenwart – es gefaellt uns hier zu sein. Der Aufenthalt in Cartagena ist rundum entspannt und abwechlungsreich. Nach und nach schauen wir uns die ehrwuerdigen alten Gemaeuer und Kirchen an und bummeln durch die Gassen. Nach der Besichtigung des ehemaligen Inquisitionspalastes mit seinem Foltergeraeten sind wir heilfroh, nicht in diesen Zeiten gelebt zu haben.

Viele der schmucken Buergerhaeuser sind vollstaendig renoviert und erhalten, manche auch baufaellig und zu verkaufen. Dennoch passt alles zusammen, die Gegensaetze sind in diesem Land ueberall nebeneinander. Ganz arm, ganz reich. Gemeinsam ist allen die Lebensfreude, mit der sie durch den Alltag gehen. Der Bauchladenhaendler, Schuhputzer oder die stolzen dunkelhaeutigen Schoenheiten, die kerzengerade in bunten Gewaendern gewaltige Obstschalen auf dem Kopf balancieren zum Verkauf. Keine Idee, ein paar Pesos zu verdienen wird ausgelassen. Sei es pantomimisch 8 Stunden auf einem Fleck zu stehen oder Blutdruck zu messen.



Wir staunen immer wieder, welche Pracht an Innenhoefen und gruennen Oasen sich hinter den riesigen meist aufwaendig geschnitzten Haustueren zeigt, wenn wir einen Blick dahinter erhaschen koennen.
Zur Strasse hin laesst die Front keinen Einblick zu. Hier lebt der Einheimische unter den kuehlen Baeumen im Patio, unter Palmen, Gummibaeumen und mit Blick auf die knallig bunten Blueten der Beauvileen, die an den Hausmauern herunterragen, tagsueber in der Tropensonne in den Strassen finden sich hauptsaechlich Touristen und Strassenverkaeufer wieder.

Nicht nur die Haustueren sind ein Statussymbol, auch die Balkone sind mehr oder weniger aufwaendig geschnitzt und gedrechselt. Da zumindest frueher (heute weiss ich es nicht) eine Balkonsteuer erhoben wurde, ist an der Groesse in etwa der Status der jeweiligen Familie daran abzulesen. Ob er praktisch oder begehbar ist, zaehlt nicht. Er muss nur „schoen“ sein und etwas aussagen.



Muehelos finden wir uns wieder in der Welt der Romane des beruehmten kolumb. Schriftstellers Gabriel Marcia Marquez. Der heute 83jaehrige Schreiber „Liebe in den Zeiten der Cholera“ und „100 Jahre Einsamkeit“ (fuer Letzteres bekam er den Nobelpreis) lebt hier in seiner feinen Villa und ich hoffe, wir koennen mal einen Blick darauf werfen. Offiziell ist sein Haus nicht fuer neugieriges Publikum geoeffnet. Hier verarbeitete er seine Lebenserfahrungen in seinen Buechern, die weltberuehmt wurden und in vielen Sprachen zu lesen sind.

Unbesorgt koennen wir durch die Stadt schlendern, auch bei Dunkelheit. Das Land Kolumbien hat in der europaeischen Welt immer noch den Makel, dass es ueberall wimmelt von kriminellen Energietraegern und die eigene Sicherheit staendig gefaehrdet ist. Waehrend ich diesen Bericht schreibe, sind wir inzwischen 6 Wochen hier und sind auch im Land umhergereist einschliesslich Bogota, der 6,8 Millionen Hauptstadt. Die fuer uns ueblichen und selbstverstaendlichen Vorsichtsmassnahmen beachtend, die eigentlich fuer jede fremde Gegend gelten und erst recht fuer Grosstaedte, hatten wir nie ein Gefuehl von Bedrohung oder unmittelbarer Gefahr.

Die Menschen in diesem Land sind sehr liebenswuerdig und herzlich von Natur aus, sehr kommunikativ und offen. Wir erleben, wie freundlich sie miteinander umgehen und die Besucher im Land werden mit einbezogen. Der einfache Mensch wie Du und ich ist keinesfalls eine Bedrohung. Am schlechten Image wird auch seitens der Obrigkeit poliert. Unauffaellig im Hintergrund ist ueberall Polizei zu sehen, die sich aber nicht aufspielt, sondern plaudernd mit Haendlern oder Touristen ihr Tagewerk – praesent zu sein – versieht. Sie wirken nicht bedrohlich wie wir es in Panama und Guatemala erlebten, sie sollen auch nicht einschuechtern. Die Touristen sollen sich sicher fuehlen und dafuer wird gesorgt, haelt es doch auch die evtl. Taschendiebe auf.




In den Gewaessern tummeln sich ausser der kolumb.Coast-Gard auch die US-Coast und wachen mit Argusaugen ueber Boot und Mensch. Die Geschaefte mit dem feinen weissen Pulver hat es hauptsaechlich in die laendlichen Gebiete verschlagen, die fuer den Anbau von Coca geeignet sind. Fuer medizinische! Zwecke ist die Anzucht von Drogen erlaubt.
Auch die gefuerchteten Guirillas sind weit weg in einsamen Berggebieten und in der Naehe der Grenzen verborgen.
Kolumbien als Reiseland auszuwaehlen gelang uns mit gemischten Gefuehlen. Wir kannten nur die Vergangenheit und die Nachrichten darueber. Immer wieder trafen wir jedoch Reisende, die das Gegenteil von den ueblichen Horrorgeschichten erlebten und wir hoerten niemanden, der hier umreiste, der nicht wie wir begeistert war von der Mentalitaet der Menschen und dem absoluten Gefuehl von unbeschwerter Reisefreiheit.

Wer sich vom ueblichen Klischee verabschieden kann und dem Land offen begegnet, erlebt ein relativ sicheres und ungemein attraktives Reiseland.



Die Kolumbianer feiern gern und ausgiebig. Kaum etabliert bekommen wir ab Halloween eine Kostprobe vom Durchhaltevermoegen. Vom 31. Oktober an wird eine 11taegige Fiesta eingelaeutet. Halloween natuerlich mit den schrillsten Masken und Verkleidungen. Hinzu kommen die Farbbaeder, die die Leute sich gegenseitig verpassen. Farbbeutel und Spruehdosen werden gegenseitig geworfen und versprueht, meist schwarze Farbe. In Gruppen laut mit allem, was Toene und Laerm verursacht, rasen sie umher und machen sich gegenseitig den Garaus. Aber es macht wohl auch Spass, das ist deutlich zu sehen.

Der naechste Tag, Allerheiligen, wird aehnlich „gefeiert“, denn es ist ja ein Feiertag und den begeht man feierlich, froehlich. Dennoch ist es ein Gedenktag an die Verstorbenen. Man muss die suedamerikanische Mentalitaet kennen, um das zu verstehen. Es ist authentisch.



In diesen Tagen beginnt auch die Vorweihnachtszeit mit Schmuecken von Balkon und Haus und Strassen, von allem, was sich nicht wehrt. Keine Grenzen sind hier gesetzt, auch nicht vom guten Geschmack. Mancher Wolkenkratzer ist vollstaendig behaengt mit unentwegt blitzenden kleinen Laempchen am Balkon. Klotzen nur nicht kleckern ist die Devise. In manchen Wohnungen und in Geschaeften sowieso steht von nun ab der Weihnachtsbaum. Da dieser sowieso nicht echt ist, wird er bis Weihnachten ueberleben.

Der Hoehepunkt der 11taegigen Feierei ist zweifellos die Wahl der kolumbianischen Schoenheitskoenigin, die in jedem Jahr an einem langen Wochenende im November stattfindet. Das ganze Land ist aus diesem Anlass ausser Rand und Band und Cartagena als Tatort im Besonderen.

Die teilnehmenden Muchachas werden vorab gefeiert, als wenn jede schon die Siegerin waere. In dieser Zeit koennte kein noch so spaktakulaeres Ereignis die Cartagenos von diesem Wettbewerb ablenken. Fast taeglich geht ein Feuerwerk in die Luft, fuer uns am Anker immer wieder gut anzusehen.



Natuerlich wuerden wir gern dabei sein und das Spektakel geniessen. Aber ...... fuer das Hilton-Hotel als Austragungsstaette und fuer dieses Ereignis fehlen uns als Segler doch tatsaechlich die passenden Klamotten oder besser gesagt die Roben. So bewundern wir die Gewinnerin des Titels spaeter im Cafe im TV und auf dem Titelblatt der Tageszeitung. Eine wahrlich exotische Schoenheit strahlt uns als Miss Columbia entgegen, wir wundern uns nicht. Ist uns doch laengst aufgefallen, wie viele kolumbianische Frauen ausserordentlich huebsch sind und durch entsprechendes Qutfit ihre rassige Ausstrahlung unterstreichen.

Rassismus kennt man in diesem Land nicht. Sind sie doch alle eine gelungene Mixtur des Blutes von afr. Sklaven, stolzen Ureinwohnern und europaeischen Eroberern.

Inzwischen haben wir eine Rucksacktour durch Kolumbien geplant und sind neugierig und wollen mehr sehen vom Land als diese Vorzeigestadt Cartagena. Davon berichten wir dann auf den naechsten Seiten


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